Sonntag, Mai 14

Choeung Ek... oder: das Grauen Mensch!

Ihr habt es sicher bemerkt, es war recht ruhig um mich... das liegt in allererster Linie an meinem Besuch der 'killing fields' nahe Phnom Penh in Kambodscha...aber mal von vorn. Ich kam ja mit dem Boot über den Mekong nach Phnom Penh. Das allein war schon eine Erfahrung wert. Zwei mal mussten wir vom Boot und bei jeweils verantwortlichen Behörden Pass und Visum vorzeigen. Das war ein bisschen wie Flughafen im Zeitraffer. Einmal auf vietnamesischer und einmal auf kambodschanischer Seite. Wie ich schon angedeutet hatte, habe ich auf dem Boot eine super nette Amerikanerin, Shea, kennengelernt und wir haben uns sofort super verstanden. Sie wollte eigentlich bei einem couchsurfing host schlafen, war sich bei Ankunft in Phnom Penh aber nicht sicher, ob das überhaupt klappt und kam so erstmal mit zu mir in meine Unterkunft, um im Internet zu schauen, ob ihre Unterkunft steht und die Sachen solang unterzustellen, wenn wir erstmal die Stadt erkunden wollen. Das hatten wir uns auf dem Boot schon überlegt. Und dann auch gemacht. 


Wir sind also erstmal auf den russischen Markt und haben uns ein wenig umgeschaut. Das Spektakel war groß. So viel frisches Essen und dann lauter schruhtz, den wieder niemand braucht, abwechselnd mit wirklich schönen kleinen Mitbringseln. Warum der Markt russischer Markt heißt, ist mir allerdings ein Rätsel, denn Russen habe ich keine gesehen. Danach haben wir direkt daneben einen ziemlich großen Street Food Markt gefunden und uns direkt einmal durch gegessen. Man war das lecker. Von Omelette artigen Teilen, die mit Fleisch und Sprossen gefüllt sind und mit Salat und Soße geliefert werden über Frühlingsrollen bis zu Reissuppe mit Hühnchen. Es gab einmal von allem was und es war soooo lecker! 

Abends stellte sich dann raus, dass Shea's Unterkunft doch etwas schwieriger wird, als gedacht, also hat sie sich kurzerhand eine Nacht hier ein Zimmer genommen und wir konnten unseren Ausflug am nächsten Tag entspannt von hier starten.... 

Unser unheimlich toller tuktuk Fahrer Mok, der uns am Boot ziemlich auf die Nerven fiel, weil er uns einfach nicht in Ruhe gelassen hat, hat uns dann einen ganzen Tag durch die Gegend gefahren. Er ist wirklich ein super Typ, spricht fließend englisch und ist geduldig und hilfsbereit. Es war also gut, dass wir klein beigegeben haben und vom Boot aus mit ihm gefahren sind. Jedenfalls haben wir einen kleinen Stopp gemacht und Kaffee geholt und sind dann los zu den genocide killing fields, Choeung Ek gefahren, welche sich gut 18 km südlich von Phnom Penh befinden. Da wir kein Frühstück hatten und Mok wohl ahnte, wie es uns nach dem Besuch geht, hat er uns in einem Restaurant rausgelassen, dass wir noch was essen konnten und dann gingen wir hinein...

Ich möchte versuchen, hier nicht meine ganze Emotion reinzubringen, kann aber nichts versprechen... Choeung Ek ist eines von über 300 Tötungslagern/ Massengräbern in Kambodscha, und wohl das größte und bekannteste, in denen zwischen 1975 und 1979 rund 2 Millionen Kambodschaner durch die Roten Kmer hingerichtet und begraben wurden. In Choeung Ek allein an die 17000! Damit könnte ich hier eigentlich enden... 

Wenn man durch das große Tor geht, wirkt der Ort unfassbar friedlich. Es ist super grün, total aufgeräumt und bis auf die wirklich bedrückende Gesamtstimmung ist erstmal nichts auffälliges zu sehen. Man bekommt einen Audio Guide und läuft los. Und, ohne Mist, beim Gang über die "Schwelle" lief mir plötzlich ein eiskalter Schauer über den Rücken. Man möchte tatsächlich fast an Geister glauben... los ging es vor einer Wiese, wo damals eine große Hütte stand, in der die Gefangenen nach Ankunft gebracht wurden. Die Verurteilten selbst wurden ausschließlich nachts gebracht, um kein Aufsehen zu erregen. Zuvor waren sie in Tuol Sleng, dem Foltergefängnis, gefangen und teilweise jahrelang gequält worden. Pol Pot und sein Gefolge wollten eine neue Welt, ohne Klassen und Unterschiede errichten und dazu mussten erstmal alle beseitigt werden, die nicht in deren Konzept passten. Und da war es vollkommen egal, ob der oder diejenige was gemacht oder gegen das Regime gesagt hat. Auf dem Radar waren alle Gebildeten, Ärzte, Lehrer, ausgebildete Bauern und Handwerker, jeder der nur ein wenig Abbildung genoss, Menschen mit Brille oder sonstigen herausstechenden Merkmalen. Am 17.04.1975 liefen die Roten Kmer ein und binnen 3 Tagen, war Phnom Penh komplett leer. Man sagte den Menschen, sie müssen vor erneuten Bombenangriffen der Amerikaner flüchten. Stattdessen wurden sie in Arbeitslager gebracht und sollten ohne Ausbildung Landwirtschaft betreiben. Die Reisproduktion sollte verdreifacht werden, was natürlich ein unmögliches Unterfangen war. War jemand dazu nicht mehr fähig oder machte sich eben durch oben genannte Merkmale auffällig (über die Sache mit der Brille werde ich nicht fertig) wurde er ins Gefängnis gebracht und irgendwelcher Dinge bezichtigt, die es rechtfertigten eingesperrt und gefoltert zu werden oder manchmal im Arbeitslager einfach direkt umgebracht. Im Gefängnis selbst wurden die Menschen so lang gequält, Einzelheiten spare ich aus, bis sie ein falsches Geständnis geschrieben haben. Das wurde dann aber nur anerkannt, wenn es der Aufseher für gut befand, und es resultierte natürlich in der Hinrichtung. War das Geständnis nicht "ausreichend", wurden sie weiter gefoltert. 

Zu Beginn des Regimes wurden alle 3 Wochen Gefangene nach Choeung Ek gebracht, später beinahe täglich. Angekommen in Choeung Ek, wurden die Gefangenen in die besagte vollkommen isolierte Hütte gesperrt und dann in Gruppen hinaus gebracht um getötet und in eines der Massengräber geworfen zu werden. Dies alles geschah nachts bei Neonlicht und bei Musik, die gemischt mit Motorengeräusch aus den Lautsprechern tönte. Sie war wohl dazu da, die Schreie zu übertönen. Wir waren am Tag dort und die Szenerie hatte etwas gruseliges, ich möchte mir nicht ausmalen, wie das im dunklen bei schriller Musik und Neonlicht war. 

Das größte Massengrab, welches freigelegt wurde, fasste über 400 Tote. Teile der Wiese waren eingefallen und zeigte Löcher in der Erde, wo weitere "Löcher" mit Skeletten und Leichen gefunden wurden. Das wohl emotional schlimmste war das der Frauen und Kinder. Die Frauen wurden gezwungen sich auszuziehen (die kambodschanischen Frauen hatten damals wie heute ein sehr hohes Schamgefühl, weshalb diese Prozedur schon Quälerei in sich war), manche würden vergewaltigt und anschließend ermordet. Auch vor Kindern und Babies machten die Kmer Rouge nicht halt. Neben dem Massengrab steht ein riesig großer Baum, der mit unzähligen Armbändchen von Besuchern als Andenken geschmückt ist. Man möchte es nicht aussprechen, aber hier wurden die kleinsten an den Füßen gehalten und mit dem Kopf so lang gegen den Baum geschmettert, bis sie tot waren. Überhaupt waren die Tötungsmethoden unsagbar grausam. Kugeln waren zu teuer und zu laut, weshalb alles als Tötungsinstrument verwendet wurde, was zur Verfügung stand: Äxte, Hammer, Messer, Keulen, Seile... oftmals war es sogar so, dass die Menschen nicht ganz tot waren, als sie ins Grab geworfen wurden...

Ich denke, das reicht an Details... ich war traurig, entsetzt, schockiert und ich saß zwischenzeitlich unter einem Baum im Schatten, habe einer Sinfonie über das Lager gelauscht und geweint. Es war nicht zu ertragen. Wozu der Mensch fähig ist, entzieht sich jedes Mal meiner Vorstellungskraft. 

Was ich global gesehen am schlimmsten finde: die Welt hat davon nichts mitbekommen. Es gab Flüchtlinge, die erzählten, was dort geschieht und niemand hat hingehört. Nein, die Regierung war bis in die 90er Jahre an der Macht (auch wenn Pol Pot und die Kmer Rouge durch die Vietnamesen vertrieben wurden) und sie waren Mitglied der UN und anerkannt. Wie entschuldigen die vereinten Nationen so etwas? Es ist mir ein absolutes Rätsel. Pol Pot selbst lebte in Thailand bis er starb und hat ziemlich entspannt sein Leben als alter Mann mit Kindern und Enkeln verbracht und beendet. Und bekam am Ende eine Beerdigung am 17. April. Er legte keine Rechenschaft ab, wurde nicht verurteilt... schöne Welt, die wir da haben. 

Die Tour dauert normal 1.5h, wir bräuchten 2.5 und waren völlig gerädert am Ende. Eigentlich wollten wir das Genocide Museum S21, Tuol Sleng, noch anschauen, haben das aber dann nicht gemacht. Das wäre irgendwie zu viel gewesen. Ich habe es zwei Tage später nachgeholt, mit genug Abstand von dieser Erfahrung. 

Mok hat uns zurück in die Stadt gefahren, wo wir uns kurzerhand für eine seichte Variante des Nachmittags entschieden und zu einem nahegelegenen Hotel an den Pool gingen und unsere Emotionen mit Cocktails betäubten. Die waren zugegeben super lecker... Espresso Martini, Leute, die beste Erfindung seit es Cocktails gibt! 


Ein unfassbar trauriger Tag für mich, unfassbare Jahre für die Kmer. Dass die Menschen, denn die meisten jetzt lebenden haben das Elend miterlebt, hier mich so freundlich und lebensfroh sind, finde ich beachtenswert. Ein tolles Land mit unfassbar trauriger Geschichte und einem Lebenswillen, der inspirierend ist! 



























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